Das Phänomen ist bekannt: Neue Software-Versionen verlangen mehr – mehr Rechenleistung, mehr Speicher, mehr Plattenplatz. Wenn die Hardware nicht ausgetauscht wird, entsteht beim Anwender nach und nach der Eindruck, die Arbeit am Rechner ginge immer langsamer vonstatten. Für den Verlust an Geschwindigkeit ist selten ein wirklicher Funktionszuwachs verantwortlich, meistens geht es um Neuerungen, wie sie unter den Stichworten »Featuritis« oder »Bloatware« diskutiert werden. Desktop-Effekte wie halbtransparente Fensterrahmen, aufpoppende Icons bei Mouseover oder Fenster, die schlottern, wenn sie bewegt werden, sind augenfällige Beispiele.
Hier soll der Blaue Engel einen Anreiz schaffen, Software mehr mit Blick auf Effizienz als auf Effekthascherei zu entwickeln. Die Frage, wie sich die Energieeffizienz von Software bewerten lässt, wurde von einer Forschungsgruppe der Uni Trier untersucht. Die Gruppe wählte häufig auf dem Desktop anzutreffende Programme aus und entwarf Nutzungsszenarien. Im Messlabor ließ die Gruppe das Szenario automatisiert ablaufen und zeichnete den damit verbundenen Ressourcenverbrauch an Rechenleistung, Speicher und Strom auf drei unterschiedlich ausgestatteten Referenzsystemen auf.
Das Nutzungsverhalten für Mediaplayer sieht das Öffnen einer Videodatei von acht Minuten, abspielen des Videos, Vorspringen zu einer Zeitmarke und Schließen des Programms vor. Der Vergleich zweier verschiedener Mediaplayer zeigte dabei einen Unterschied von 74% beim Energieverbrauch. Beim Vergleich zweier Textverarbeitungen lag der Energieverbrauch der einen Software gleich um 700% höher als beim Vergleichsprodukt. Zudem zeigte die Strommessung in diesem Fall, dass mit dem Speichern des Dokuments der Stromverbrauch nicht beendet war. Der blieb noch für einige Zeit auf dem gleichen Niveau. Das könne ein Hinweis darauf sein, dass die Software nach getaner Arbeit noch nach Hause telefoniert, so die Vortragende.
Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit entwickelte die Gruppe außerdem Werkzeuge, mit der Entwickler die Energieeffizienz ihrer Software im Blick behalten können. Einen Hinweis auf den Stromverbrauch kann man aber wohl auch durch die Auslastung von Prozessor und Speicher gewinnen – das zumindest legen die im Rahmen des Vortrags präsentierten Diagramme nahe.
Software, die den Blauen Engel bekommen soll, muss
- effizient mit der Hardware umgehen,
- vergleichsweise wenig Energie verbrauchen,
- auf 5 Jahre alter Referenzhardware laufen,
- modular aufgebaut sein, um den Nutzern die Auswahl von Features zu erlauben.
Der Umweltengel für Software dürfte also gleich in mehrerer Hinsicht interessant sein: Unternehmen können durch den Einsatz stromsparender Software direkt Kosten reduzieren und die Lebensdauer der Firmenrechner verlängern. Aber wenn eine Software sieben Mal so viel Strom verbraucht, wie das Konkurrenzprodukt, dürften auch Privatanwender ins Grübeln kommen. Denn der reduzierte Stromverbrauch kommt nicht nur der Laufzeit des Laptops fernab der Steckdose zugute, sondern verlängert durch weniger Ladezyklen auch die Lebensdauer der Batterie.